Verein Freiraum Leibnitz

„Viele können kein Online-Formular ausfüllen“

Verein Freiraum begleitet Frauen zu Ärzten und Ämtern oder hilft, im Online-Dschungel zurechtzukommen.

Ein Anruf beim Arzt, ein Termin bei der Bezirkshauptmannschaft, ein Online-Formular, das man gefühlt schon zehnmal vergeblich versucht hat, auszufüllen. Dann der Vorsatz: Das mache ich morgen. Aus morgen wird übermorgen und der Druck, die Dinge endlich zu erledigen, wächst ins Unermessliche.

Mit diesen und ähnlichen Situationen sehen sich jene Frauen konfrontiert, die zur Frauen- und Mädchenberatungsstelle Verein Freiraum in Leibnitz kommen. „Mitgehn“ heißt das Projekt, das Frauen in Alltagssituationen unterstützen und stärken soll. „Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen begleiten Frauen zu Ärzten und Behörden oder helfen beim Ausfüllen von Online-Formularen und bei wichtigen Anrufen“, erzählt Sandra Janics-Jakomini, Geschäftsführerin des Vereins.

Drei Frauen fungieren derzeit als Begleiterinnen in Leibnitz. „Ich war lange Zeit im Sozialbereich tätig und möchte meine Erfahrungen an andere Frauen weitergeben. Oft hilft es schon, wenn man zu zweit bei einem Termin auftaucht. Das wirkt schon ganz anders“, sagt Begleiterin Eva Wakonigg.

Sie ist seit Juni 2023 in Pension, will sich jedoch weiterhin in die Gesellschaft einbringen: „Ich möchte anderen Frauen lernen, wie sie ihre eigene Stimme entwickeln und für sich einstehen können“, sagt die 61-Jährige. Außerdem mache es sie stolz, wenn sie selbst bei Begleitungen spontan neue Lösungsansätze und Auswege findet. Auch in Sachen Digitalisierung. „Digitale Belange sind ein großes Thema bei uns. Angefangen beim Ausfüllen von Online-Formularen übers Installieren des Druckers bis hin zum Anhängen von Dokumenten an eine E-Mail“, erklärt Janics-Jakomini. Nicht nur ältere Frauen benötigen Unterstützung, sondern auch vermehrt Junge. „Viele wissen zum Beispiel, wie man TikTok verwendet, können aber online kein Formular ausfüllen“, ergänzt Wakonigg. 18 bis 64 Jahre alt seien die Klientinnen.

Bei den Begleitungen zu Ämtern, Ärzten, Wohnungsbesichtigungen oder der Unterstützung bei Delogierungen soll das Selbstvertrauen der Frauen gestärkt werden. „Viele kommen erst zu uns, wenn der Hut brennt. Dabei ist es durchaus sinnvoll, sich gleich bei der ersten Mahnung an uns zu wenden“, sagt Janics-Jakomini. In Nachbesprechungen mit den Klientinnen wird dann erörtert, was jene beim nächsten Termin anders machen können.

„Wir sehen uns als Serviceeinrichtung, als neutrale Stelle. Keine Frau soll sich blöd oder als Bittstellerin vorkommen, wenn sie unsere Begleitungen in Anspruch nimmt“, betont Janics-Jakomini. 100 Termine im Jahr kommen in Leibnitz zusammen. Der Verein ist einziger steirischer Partner der Armutskonferenz, die das Projekt 2021 ins Leben gerufen hat. Mit großem Erfolg, denn im Mai 2023 wurde „Mitgehn“ mit der Sozialmarie (Preis für soziale Innovation) ausgezeichnet. Seitdem erhalten die Projektpartner jährliche Förderungen vom Sozialministerium.

Mit diesen wird etwa das „Onboarding“ neuer Begleiterinnen finanziert. Dazu gehören intensive organisatorische und inhaltliche Aufnahmegespräche, Briefings hinsichtlich der richtigen Haltung bei Terminen und Coachings in Bezug auf die gängigsten Anliegen der Klientinnen. Eine Ausbildung und Berufserfahrung im sozialen Bereich sowie die Motivation, längerfristig als Begleiterin tätig zu sein, sind ebenfalls wichtige Kriterien. Interessentinnen können sich direkt beim Verein melden. Julia Haslebner